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Komponist im Porträt

Mitdenken, mitfühlen – Manfred Trojahn im Porträt

von Kerstin Schüssler-Bach

Das Vertrauen auf eine gute Geschichte und die Raffinesse fein austarierter Klänge – Manfred Trojahn bringt beides spannungsvoll zusammen. Die »Mitdenk- und Mitfühlmöglichkeit« seiner Kompositionen bietet so für das Publikum ein »ästhetisches Vergnügen«, wie sein Biograf Robert Maschka feststellt. Aber oberflächliche Unterhaltung bedeutet dieses ›Vergnügen‹ freilich keinesfalls. Die Musik des 75-Jährigen ist emotional, aber nicht effekthascherisch. Sie ist komplex, aber nicht blutleer konstruiert. Und nicht zuletzt schöpft sie aus einem reichen Fundus, der heute allzu schnell als ›bildungsbürgerlich‹ etikettiert wird.

Trojahn erlebte als Kind einer Arbeiterfamilie an sich selbst, wie die Begegnung mit großer Literatur, bildender Kunst und Musik zur seelischen Notwendigkeit wird. Beim Kammermusikfestival in Braunschweig hörte der Schüler Musik von Britten, Dallapiccola und Milhaud. Von der deutschen Avantgarde der 1960er- und 70er-Jahre wurden diese Komponisten als ›gestrig‹ stigmatisiert. Der junge Trojahn öffnete sich anderen Einflüssen, hörte Henze und Boulez, geriet bei seinem Studium in Hamburg in den Bannkreis György Ligetis. Doch Britten und Co. vergaß er nicht. Er habe sich in die »technokratischen Figuren« der damaligen Neue-Musik-Szene »nicht so verlieben können«, gestand er später. Und so provozierte seine auf den Spuren von Mahler wandelnde 2. Sinfonie im Avantgarde-Mekka Donaueschingen 1978 einen gewaltigen Skandal. Von den etablierten Spielwiesen der Neuen Musik wurde Trojahn daraufhin verbannt. Das ist, mit wenigen Ausnahmen, bis heute so geblieben. Trojahns mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen versehener Weg war ein anderer: Er führte ihn als einen der meistgespielten Musiktheaterkomponisten seiner Generation an die Münchner und Wiener Staatsoper, an die Opernhäuser von Zürich, Amsterdam, Kopenhagen, Düsseldorf oder Dresden, zu den Festivals in Salzburg oder Schwetzingen – und nun zum Mozartfest Würzburg.

Mozart, der Fixstern des Festivals, ist für Trojahn ein lebenslanger Begleiter, seit eine Radioübertragung des Don Giovanni in dem 11-Jährigen den Wunsch weckte, Komponist zu werden. Auch Claude Debussy oder Richard Strauss fühlt er sich verbunden. Es ist ihm nie in den Sinn gekommen, auf historisch gewachsene Gesten zu verzichten. Literarische Kontexte bilden für seine Werke auch dort ein geistiges Fundament, wo sie nicht ausgesprochen werden. So ist sein neues Werk für Viola, Klavier und Orchester Trame lunari von einem Gedicht Giuseppe Ungarettis inspiriert. Das Auftragswerk des Mozartfestes Würzburg und der Elbphilharmonie Hamburg wird von den Artistes étoiles Nils Mönkemeyer und William Youn mit dem Ensemble Resonanz unter Riccardo Minasi vorgestellt. Im romanischen Kulturkreis fühlt sich Manfred Trojahn zu Hause. Die französische ›clarté‹ und Rationalität, gepaart mit Savoir-vivre, liegen ihm nahe. Italienische Literatur ist ein weiterer Nährboden. Bei Luigi Pirandello oder Edoardo De Filippo fand er Stoffe für seine Opern. Es sei deren ironische Poetik, die ihn besonders angezogen habe, sagt Trojahn. Erregtes Überwältigungstheater war nicht das seinige: »Ich bin ein Ironiker. Erst später habe ich gesehen, dass sich intellektueller Anspruch und emotionale Kraft nicht ausschließen müssen.«

Als Professor für Komposition hat Trojahn langjährige pädagogische Erfahrung, von der nun die Stipendiat:innen des MozartLabors profitieren werden. In Gesprächskonzerten und Einführungen gibt es für das Publikum zudem immer wieder Gelegenheit, den diesjährigen Porträt-Komponisten persönlich zu erleben – und dabei Einblick in ein eindrucksvolles Schaffen zu erhalten, das Manfred Trojahn heute den Rang eines ›Altmeisters‹ einräumt. Aber dieses Wort würde er wohl mit gesunder ironischer Distanz von sich weisen.